«Bin im Stress» ist schon irgendwie so eine Floskel geworden, die man auf die Frage danach, wie es einem denn ginge, bringen muss. Denn wenn man nicht im Stress ist, was hat man dann schon erreicht? Null.
Ist ja auch bei Parfums so, denn sobald man – oh, eine Neuerscheinung!! Ich muss die riechen. Und noch eine! Die muss ich auch riechen!! Sofort!
Und hey, die sind ja so was von toll, die muss ich haben. Blöd nur, dass das Geld vielleicht nicht, ach egal, Überstunden oder was auch immer. Geht alles.
Okay, Zweiteres war bedingt nur der Fall, aber No 1 schon. Eine Neuerscheinung, die spannend klingt? Muss ich riechen! Sofort!!
Und dabei vergass ich ganz, dass vor langer, langer Zeit so eine merkwürdige Phase war, wo ich für über 2 Jahre einen Signaturduft hatte. Und ja, das ist genau der, den ich jetzt kommentiere. Sorry, dass ich nichts Spannenderes bieten kann.
Ich hatte den damals so aus dem Regal gefischt. Und mich Hals über Kopf in ihn verliebt. Ja, tief drinnen habe ich eben wohl auch so eine pastellfarbige Seite. Das kleine Mädchen in mir, das das Bedürfnis hat, die eher immer in schwarz oder anderen nicht-Farben gehaltene Kleidung mit etwas Fröhlichem zu übersprühen. Und nicht anzuecken, sondern zu gefallen.
Das war die Zeit, wo ich gerne nach diesem Jasmin-Patchouli Gemisch mit Frucht roch. Es gefiel einfach. Jedem. Mir auch.
Doch dann die geniale Nischenwelt. Nicht falsch verstehen, ich liebe sie wirklich. Immer noch irgendwie. Individualität. Nasenverführer, vieles riechen – und dann flatterte erst irgendwie eine Müdigkeit in die Nase. Und dann SDP. Kennst Du nicht? Solltest Du mal hören, ist ne deutsche Band. Haben so schöne Lyrics wie «Warum ne teure Uhr, wenn ich dann keine Zeit hab?» Kann man sich auch mal überlegen, ob das nicht auch irgendwie in den Parfum-Bereich fällt. Aber nö, darauf gehe ich jetzt nicht ein.
Ist eher so, dass ich was anderes merkte und zwar dank dem hier:
Denn ihr träumt nur noch im Schlaf
Um am Tag zu funkionier'n.
All die leeren Versprechen
Die könnt ihr wieder haben.
Ich halt an Träumen fest, wie'n Karabinerhaken.
Ich bin und bleibe leider eine hoffnungslose Träumerin. Und bin daher vielleicht ein wenig zu langsam für so manches. Eben weil dieses «riechen!!» ein «träumen» fast unmöglich macht. Bei «riechen» warte ich förmlich auf die Eindrücke, bei «träumen» lasse ich sie irgendwann und irgendwo auf mich zukommen und so lange wirken, wie sie wollen. Kurzum: Frei von Zeitschranken.
Und dann noch diese Lyrics:
Ich bin reich, denn ich weiß, das Kostbarste was es gibt zurzeit, ist Zeit zu zweit
Mach dein Handy aus und scheiß mal auf Deadlines
Frühstück zu zweit und direkt wieder ins Bett rein
Nicht nur, dass ich das wirklich empfehlen kann (am besten mit Filmen, die man nicht zugibt, sich wirklich anzusehen, eben weil absolut kein gehobenes Niveau; oder dann am Nachmittag mit ungesundem Essen, dem Bauen von einem Lego-Modell zu zweit – falls das noch nicht ausprobiert wurde, das ist so was von empfehlenswert –, oder einfach eine gefühlte Ewigkeit nur einander in den Armen liegen und die Sonnenstrahlen auf der Nase geniessen), es nimmt auch von allem diesen Faktor Zeit weg und gibt Ruhe. Ruhe, wie ich sie jetzt hier wieder empfinde. Klar, genau wie ein Frühstück im Bett nicht dem Niveau des Frühstücks in einem 5 Sterne Hotel entspricht, ist das hier kein tolles Nischenparfum. Aber genauso wie ich tief in mir nicht dem Ambiente eines 5 Sterne Hotels entspreche, entspreche ich tief in mir nicht den tollen Nischendüften, eben weil da das kleine Mädchen sitzt und gerne ein klein wenig sanfte Pastellfarben für sich hätte. Und einfach das, was sich einfach nur richtig anfühlt.
Spürst Du das auch? Ich kannte das gar nicht.
Alle Uhren stehen still, wenn du in meinem Arm bist.
Warum wollen wir alle höher, schneller, weiter?
Wozu ne teure Uhr, wenn ich dann keine Zeit hab?
Ja, man merkt schon, ich werde kitschig. Aber irgendwie gibt es so wenige Dinge, die schöner sind, als EIN Duft. Den man selbst hinterlässt. Der in der Luft hängen bleibt, der auch in der Bettwäsche bleibt. Oder an der Kleidung. Den der andere riechen kann, auch wenn man schon lange weg ist. Basiert im Idealfall auf Gegenseitigkeit und ist einfach nur wunderschön. Zwar schon mit Pastellfarben und mit wenig Kanten, aber dafür mit Ruhe.
